Was können wir alle tun, für die Verkehrswende?

Liebe Mitglieder, liebe Interessierte, liebe Leserinnen und Leser unseres Blogs,

vielleicht geht es euch und Ihnen ja ganz ähnlich wie mir: Die Neuigkeiten aus dem Mobilitäts- und Verkehrssektor in Deutschland sind einerseits vielversprechend, aber andererseits auch wirklich verstörend.

Wie auf unserem Blog zu lesen ist, schrumpft die Zahl der Führerschein-Neulinge in der Altersklasse der unter 21jährigen auch in Nordrhein-Westfalen seit Jahren. Allein zwischen 2016 und 2021 ging die Erteilung von allgemeinen Fahrerlaubnissen bei den unter 21jährigen um knapp 16,25 Prozent zurück. Anders als zu meiner Jugend in einem fern zurück liegenden Jahrhundert scheint der verführerische Sog des Autos abzunehmen.

Auf der anderen Seite nimmt die Zahl der Pendlerinnen und Pendler wieder zu, auch wenn die Kosten extrem hoch sind. Und die Pläne des Verkehrsministeriums in Berlin scheinen diese Entwicklung im Auge zu haben: Breitere Autobahnen sollen kommen, der Ausbau bis auf zehn Spuren vor allem an Knotenpunkten, und die Planungen auch für Bundesstraßen und Autobahnen sollen beschleunigt werden.

Wie kann das zusammen gebracht werden?

Ich nehme diese in unterschiedliche Richtungen weisenden Fakten als Anlass, meine persönlichen Gedanken kurz gefasst darzulegen.

Nehmen wir konkret unsere Situation hier vor Ort.

Ganz dezidiert meine ich: Wie komme ich ohne Auto – auch zu etwas außerhalb der Norm liegenden Zeiten – zu meiner Arbeitsstelle in Münster oder Hamm oder Greven oder sonstwo hin und wieder zurück?

Es ist wirklich ein sehr schwieriges, sehr teures und auch auf das Glück vertrauendes Unterfangen. Kommt die Bahn heute pünktlich, hält der Bus auch abends an meiner Bushaltestelle im Außenbereich, komme ich abends überhaupt zurück mit einem Bus, wer holt mich dann an der Bushaltestelle noch ab?

Es sind viele Unwägbarkeiten, viel Umstand, viel Ärger und besonders dann, wenn ich absolut pünktlich vor Ort sein muss, wenn ich womöglich noch einen Anschlusszug erreichen möchte.

Das sind Umstände, die eigentlich nicht sein müssten. Denn es geht auch anders, aber wie? Was können die von uns gewählten Verantwortlichen tun, was können wir selber dazu beitragen?

Selbstverständlich muss erstens die Politik dafür sorgen, dass endlich ein zuverlässiger, kostengünstiger und in akzeptablen Zeitabständen rollender ÖPNV den Pendlerinnen und Pendlern zur Verfügung steht. Ohne das geht es einfach nicht! Die Prioritäten müssen anders vorgegeben werden, das ist offenkundig, und alle Verantwortlichen sollten das endlich auch verinnerlicht haben. Hier setzt sich die Bürgerinitiative sehr stark und konsequent mit Gesprächen, Aktionen, Netzwerkverbünden und Versammlungen ein.

Aber – damit allein ist es nicht getan, auch wir Bürgerinnen und Bürger sollten/müssen uns meiner Meinung nach im persönlichen Leben daran beteiligen, müssen Verantwortung übernehmen.

Ich kann nicht erwarten, dass die „da oben“ schon alles für mich regeln, auch ich selber muss etwas aus meiner Komfortzone herauskommen.

Vielleicht versuche ich, mit Nachbarinnen oder Bekannten einen Wagen gemeinsam zu nutzen und mit etwas Mühe dafür eine Regelung zu finden. Die meiste Zeit steht ein Auto doch wirklich nur herum – warum teilen wir es dann nicht? Natürlich kann dann mal etwas von der anderen Nutzerin kaputt gemacht werden, aber dafür gibt es Versicherungen. Sehen wir das Auto doch auch einfach mal als Gebrauchsgegenstand und nicht als Etikett unseres materiellen Erfolges. Wenn wir das hinbekommen, dann ist es auch einfach, solch ein Gefährt zu teilen und ggf. mit Schrammen wieder zu übernehmen. So what?

Oder wir bilden wieder Fahrgemeinschaften wie zu meiner Jugend. Ist oft etwas umständlich, aber machbar. Gerade auch an dieser Idee – Aufbau einer Fahrgemeinschafts-App in unserem Bereich – arbeitet die Bürgerinitiative B51 Telgte.

Oder ich fahre trotz Regen, Schauer und Gegenwind mit dem Rad. Nie zuvor hatten wir solche wahnsinnig gute Funktionswäsche wie heute, nie zuvor gab es diese superguten E-Bikes.

Natürlich sind diese Vorschläge mit einer Änderung unserer Gewohnheiten verbunden. Natürlich macht es Mühe. Vielleicht eröffnet es aber auch unerwartete neue Möglichkeiten, Kontakte zu intensivieren, sie aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, mein Workout schon mit dem Arbeitsweg hinzubekommen.

Ich möchte hier auf keinen Fall missionieren, ich habe nichts für Missionarinnen und Missionare übrig. Ich schreibe es als Vorsitzende einer Initiative, die sich für eine Mobiliätswende hier in und um Telgte herum einsetzt. Ich möchte also auch selber möglichst vorbildlich agieren und mich damit auch „unter Druck setzen“. Denn ich selber falle immer wieder in alte Verhaltensmuster zurück, sobald das Wetter nicht mitmacht oder ich verschlafen habe. Dann steige ich ins Auto und fahre los nach Münster, ganz allein in meinem eigenen großen Gefährt, wie bescheuert ist das?! Im Nachhinein ärgere ich mich und gelobe Besserung – bis zum nächsten Mal.

Was ich gerne in diesem persönlichen Beitrag verdeutlichen möchte: Es liegt auch zu einem gewissen Anteil an jeder/jedem von uns, „diese Welt ein bisschen besser zu machen“. Wir selber müssen Verantwortung im täglichen Leben übernehmen, und das gibt es nicht zum Selbstkostenpreis. In den sauren Apfel müssen wir schon mal beißen, wenn wir die B51 zwischen Telgte und Münster mit weniger Autos befahren sehen möchten.

Und nun möchte ich den Kreis schließen und wieder zum Beginn dieses Textes zurückkommen. Die Zahl der Führerscheinaspirantinnen der unter 21jährigen in NRW nimmt ab. Es wird so oft auf die jungen Menschen geschimpft, ich halte das für absoluten Blödsinn! Denn auch die Zahl der Autos an der  B51-Zählstelle direkt vor Telgte nimmt seit Jahren kontinuierlich ab – und das liegt vielleicht auch an diesen Jugendlichen und nicht unbedingt an uns gut saturierten Mitfünfzigern und Mitsechzigern …

Liebe Leserinnen und Leser,

ich lehne mich mit dieser persönlichen Meinung sehr weit aus dem Fenster. Ich habe es getan, weil ich mir bewusst bin, dass ich und meine Generation maßgeblich für den verheerenden Status Quo unserer Erde verantwortlich sind. Ich möchte versuchen, hier in unserem ureigenen Umfeld dem entgegenzuwirken und vielleicht etwas wiedergutzumachen. Und sei es nur, es unseren Nachkommen zu ermöglichen, sich weiterhin an den Natur- und Kulturgütern entlang der B51 zu erfreuen.

Herzlichst
Maria Odenthal-Schnittler