In Zeiten wie diesen – Verhalten und Anstand als oberste Priorität
Ich gehöre zu der Generation, die reichlich nach Ende des Krieges geboren ist und der es ausgenommen von eigenen, persönlichen Misserfolgen, Krankheiten o. Ä. immer gut ging: Nie bedrohte etwas unser Leben, keine Kriegsgefahr, kein Hunger, kein Durst.
Was wir gerade erleben, sprengt von daher meine Realität, ist fast surreal für mich. Überall sehe und erahne ich bei Fahrten in Telgte und Münster die enormen existentiellen Gefahren für viele Menschen. Gespräche mit Betroffenen machen traurig und ratlos.
Natürlich richtet sich meine Familie nach den Regeln der Bundesregierung, die den Ratschlägen und der Expertise der Spezialisten auf einem für meine Begriffe sehr guten Kurs folgt. Sowohl privat als auch als Vorsitzende der Bürgerinitiative B51 Telgte e. V. verfolge ich diesen Kurs im Einverständnis mit dem gesamten Vorstand. Wir haben schon vor ein paar Wochen sämtliche anstehende Veranstaltungen abgesagt. Auch schon terminierte Einzelgespräche wurden in gegenseitigem Einverständnis gecancelt.
Von daher bin ich zunächst erstaunt, dass ab heute Wurfsendungen von der Regionalniederlassung Münsterland des Landesbetriebes Straßen.NRW über das 4zu1-Projekt (B51/B64) in zig Haushalte eingebracht werden. In der Pressemitteilung auf der Website zum 4zu1-Projekt steht: „Erklären, Mitnehmen und Beteiligen, für das Straßen.NRW 4zu1-Team eine wichtige Aufgabe, die umgesetzt werden muss.“ Weiterhin lese ich dort: „Straßen.NRW erklärt zahlreichen Bewohnern die Ost-Münsterland-Verbindung.“
Mein erster Gedanke dazu: Oh Herr im Himmel – welche Gnade wird uns hier erteilt!
Dann jedoch dreht sich mein zunächst amüsiertes Erstaunen von Sekunde zu Sekunde mehr in Richtung Fremdschämen und Fassungslosigkeit (ganz abgesehen von dieser dummdreisten Überheblichkeit des Textes), denn die Regionalniederlassung Münsterland hat anscheinend wirklich nichts verstanden. Oder sie will ganz einfach die angespannte momentane Situation zu ihren Gunsten nutzen.
Wie ignorant und borniert kann man/frau nur sein, um gerade jetzt eine analoge Informationsoffensive im Papierformat zu starten? ExpertInnen auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten sind zwar nicht sicher, ob und wie lange sich Corona-Viren auf trockenen Unterlagen wie Papier halten und ob davon eine Gefahr ausgehen kann. Aber sie und wir wissen noch viel zu wenig über dieses neuartige Virus, so dass es schon der Anstand verbietet, auf so eine Art und Weise in Kontakt zu sehr, sehr vielen Menschen und Haushalten zu treten.
Parallel dazu erzürnt mich maßlos der Zeitpunkt dieser Offensive – warum gerade jetzt? Die Antwort ist ja wohl klar wie Kloßbrühe!
Auch wir als Bürgerinitiative B51 Telgte e. V. brennen weiterhin genauso für unser Engagement und werden weiterhin mit „offenem Visier“ kämpfen. In Zeiten wie diesen bedeutet es aber auch, dass wir uns an die Vorgaben halten, uns als Bürgerinitiative nicht in den Vordergrund schieben und keine Gefahren für Leib und Seele riskieren, nur um uns zu profilieren!
Das versuchen wir durch vernünftige Argumentation und konstruktive Ideen, gerne auch im Dialog mit Straßen.NRW oder Dialog Basis, zu Zeiten, wenn es wieder erlaubt und ungefährlich ist. Apropos Dialog Basis – man hört und sieht gar nichts mehr davon …
Wir lassen uns weder von diesem unangenehmen Gebaren der Landesbetriebe anstecken, noch von Corona, denn wir verfolgen eine klare, transparente, vernünftige und stringente Linie. Da werden weder ein sehr garstig daher kommendes Virus noch eine sehr fragwürdig taktierende Landesbetriebstruppe aus Coesfeld uns aus dem Konzept bringen.
Dr. Maria Odenthal-Schnittler