Lionel Bombardelli hat uns erlaubt, seinen Brief vom 9. Juli 2019 an den Telgter Bürgermeister Wolfgang Pieper zu veröffentlichen. Vielen Dank für diese konstruktiven Ideen.
„Telgte, den 9. Juli 2019
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Pieper,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe vor einiger Zeit aus der Zeitung erfahren, dass die Strecke zwischen Münster und Bielefeld ausgebaut werden soll. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass auf diesem Stück nie die versprochene Autobahn gebaut wurde und somit eine gute Verkehrsanbindung nicht vorhanden ist. Der Ausbau auf der ganzen Strecke wird damit gerechtfertigt, dass tägliche Staus unter anderem in Höhe Handorf und Telgte-Jägerhaus den Verkehr doch wesentlich beeinträchtigen. Diese täglichen Staus kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen und ich finde es gut, dass dieses Problem nun angegangen wird. Jedoch habe ich eine differenzierte Meinung zum vierspurigen Ausbau zwischen Handorf und Telgte. Ich habe dabei versucht, möglichst Argumente der Befürworter und der Gegner zu vereinen, und habe dabei folgende Idee entwickelt. Durch die Argumentation sollen folgende Fragen leiten:
- Warum entstehen Staus?
- Ist der Ausbau noch zeitgemäß angesichts des wachsenden Umweltbewusstseins in der Bevölkerung und dessen Suche nach Alternativen? Welche konkreten Alternativen gibt es?
1. Warum entstehen Staus?
A) Ampeln!
Zum einen muss man sich die Ursachen der Staus anschauen. Dies sind vor allem die Ampel in Handorf beim Garten-Center und die zur Mauritzschule. Dies ergibt sich unter anderem aus der Analyse, die das Büro Bürgerdialog im Internet zum Thema Ausbau der Strecke veröffentlicht hat. Es sind also die Ampeln, die den Verkehrsfluss verzögern und aufstauen lassen.
Deswegen ist es notwendig, dass man auf der Strecke alle diese potentiellen Stauauslöser vermeidet. Dies kann man dadurch erreichen, indem man die Ampeln entfernt. Genau dies ist auch der bisherige vorgelegte Plan der Landesregierung, die deshalb unter anderem verschiedene Brückenüberführungen errichten möchte. Doch gerade für den Kreuzungsbereich in Handorf würde dies erhebliche bauliche Veränderungen erfordern. Das Landschaftsbild würde darunter sehr leiden. Problem ist hier der Hochbau der Brücke. Dieses Problem könnte man vermeiden, indem man die Straßenführung nicht in die Höhe baut, sondern in die Tiefe. Dazu habe ich eine Skizze beigefügt, wie man das ganze mit einer Unterführung realisieren könnte.
Man muss sich das folgendermaßen vorstellen: Die Strecke soll unterbrechungslos, also ampelfrei, realisiert werden. Deshalb soll jeweils eine Fahrspur für beide Richtungen unter dem Kreuzungsbereich durch einen Tunnel hindurch führen. Dies ist bereits auf der Umgehungsstraße in Münster z. B. Höhe Albersloher Weg (in größerem Maßstab) umgesetzt und ist auch für die Strecke Warendorfer Straße bis Schifffahrter Damm in ähnlicher Weise in Höhe Mariendorf geplant. Garantiert würde auf diese Weise die unterbrechungsfreie Fahrt zwischen Münster und Warendorf und eine Straßenführung, die das Landschaftsbild nicht zu sehr beeinflusst. Im Übrigen soll der Kreuzungsbereich wie bisher erhalten werden, sodass der Verkehr in alle Richtung weiterhin – und vor allem ohne Brückenkonstruktionen – möglich ist. Eine noch zu erwähnende Besonderheit meines Planungsentwurfes ist eine Unterführung für die Radfahrer und eine weiterhin ampellose Rechtsabbieger-Spur von Handorf Richtung Münster. Zudem soll im Kreuzungsbereich die Bushaltestelle (Münster Richtung Warendorf) erhalten bleiben. Dazu wird in meinem Plan an der bisherigen Stelle das Bushäuschen auf dem fortan weniger befahrenen, oben gelegenen Kreuzungsbereich abseits der Schnellstraße erhalten, die mit einer Ampelanlage den Fußweg Richtung Handorf sichert. Auf dem Rasenbereich vor dem Gartencenter könnte man einen Fahrradparkplatz ähnlich dem in Telgte am Bahnhof auf der Südseite (mit doppelstöckigen Fahrradparkplätzen) bauen.
Somit wäre dieser erste Punkt – durch Ampeln provozierte Verkehrsflussunterbrechungen – durch eine veränderte Straßenverkehrsführung ermöglicht. Dies ist ein Puzzleteil im Gesamtbild, welches an und für sich ohne vollständigen Straßenausbau zwischen Telgte und Handorf eine erhebliche Verbesserung erreichen würde.
B) Autos
Zweiter Punkt ist die Zahl der im Gutachten prognostiziert steigenden Verkehrsnutzer von 25.000 auf über 30.000 (v. A. PKW). An dieser Stelle muss man meines Erachtens zukunftsgerichtet planen.
Dies bedeutet, dass nicht die individuelle Mobilität mit dem PKW im Vordergrund stehen sollte. Unter Berücksichtigung der steigenden Bewohneranzahl in der Region und unter erhöhtem Druck, auf klimaneutrales Handeln im Alltag zu achten, werden künftig nicht mehr alle einzeln nach Münster mit dem PKW fahren können und wollen (Probleme wie Parkplatzmangel in Münster, steigende laufende Kosten für Kraftstoffe und schlechte Luftqualität sprechen für diese Prognose). Viel mehr wird man neue Wege der Mobilität entwickeln müssen, die mehr auf gemeinsam genutzte Verkehrsmittel setzen. Fahrgemeinschaften und Busfahrten stehen da an erster Stelle. Berücksichtigt man dies, wird die Zahl der Autos nicht weiter steigen, sodass eine gleichbleibend, wenn nicht sogar sinkende Anzahl von Autos die Strecke befahren werden.
Voraussetzung ist ganz klar, dass man Alternativen schafft. Man kann aber den ‚Schwarzen Peter‘ nicht den einzelnen Autofahren zu schieben, sondern es sind die Verantwortlichen in der Politik, die hier was bewegen müssen. Die Politiker sind es, die eine Alternative schaffen müssen und hier zukunftsweisend entscheiden müssen. Schließlich sind sie von der Bevölkerung gewählt worden, um für die Allgemeinheit eine bessere Zukunft zu erarbeiten und Lösungen für unsere akuten Probleme zu suchen.
2. Gibt es Alternativen?
Diese im Zusammenhang mit dem Ausbau der Strecke diskutierten erforderlichen Alternativen zum Auto müssen verlässlich und pünktlich und attraktiv sein. Diese Alternativen, darf man auch nicht erst bei Bedarf schaffen (zudem besteht dieser Bedarf auch schon längst), sondern man muss das Angebot sofort zur Verfügung stellen, damit die Nutzer auch angeregt sind zu wechseln weil sie sehen, dass es möglich ist, seine Mobilität zu verändern. Meines Erachtens darf diese Debatte über Öffentliche Verkehrsmittel auch nicht losgelöst vom Streckenausbau gesehen werden, da es wie bereits dargelegt sich gegenseitig beeinflusst. Dementsprechend hat diese Diskussion durchaus seinen berechtigten Platz an dieser Stelle.
1. Möglichkeit: Sprinterbus
Eine mögliche Alternative bietet eine Buslinie, die wie eine Expresslinie funktioniert und ein Angebot neben dem des Zuges bietet (Halt in Warendorf am Bahnhof, Müssingen am Bahnhof, Telgte Bahnhof und Endstation Münster Hauptbahnhof). Diese Expressbuslinie müsste mit Sprinterbussen, eventuell doppelstöckig, ausgestattet sein und viertelstündlich von Münster und Warendorf fahren. Nur dann ist eine verlässliche und attraktive Anbindung garantiert. Diese Idee der häufigen Taktrate ist auch nicht aus der Luft gegriffen, sondern basiert auf den Wünschen der Verkehrsnutzer. Großer Kritikpunkt an der bereits bestehenden Buslinie ist, dass diese über die Bauernschaften fährt und daher zwar wichtig für die dortigen Bewohner sind. Die Linie R11 soll deswegen keineswegs ersetzt werden. Aber es muss eine schnellere Fahrt nach Münster möglich sein. Und das Problem der Bahnlinie ist, dass diese nur stündlich fährt. Eine höhere Taktung ist, wegen der Einspurigkeit der Zugstrecke, nicht oder nur eingeschränkt möglich. Allerdings gibt es natürlich auch eine Alternative zur Bussprinter-Möglichkeit.
2. Alternative: Zug
Hier zu nun einer zweiten Möglichkeit: Der Zug ist grundsätzlich die bessere Möglichkeit sich fortzubewegen, da dieser nicht mit den Autos auf der Straße steht und somit konkurrenzfrei eine eigene Strecke hat. Die Idee einer eigenen Busspur wäre nämlich wieder mit einem erhöhten Flächenverbrauch verbunden. Dies kann nicht das Ziel sein.
Aber das Problem an der Zuglinie ist, dass sie eingleisig ist. Ein zweigleisiger Ausbau auf der ganzen Strecke hätte zwar weniger starke Auswirkungen auf die Landschaft als ein vierspuriger Ausbau der Straße. Jedoch wäre dies gar nicht notwendig, denn das Problem sind die fehlenden Ausweichstellen des Zuges. Also klar gesprochen: zweigleisige Ausweichstellen in Handorf und in Einen-Müssingen. Würden sich hier Ausweichmöglichkeiten für den Zug ergeben, könnten die Züge aneinander vorbeifahren und eine höhere Taktrate wäre möglich. Und ganz ehrlich: Die Schaffung dieser Ausweichmöglichkeiten für den Zug sind deutlich weniger flächenintensiv als ein vierspuriger Ausbau der ganzen Strecke zwischen Telgte und Handorf.
In diesem Zuge könnte man auch den Bahnhof in Handorf wieder aktivieren. Somit könnte man auch viele PKW-Fahrer abfangen, die von dort aus in die Stadt fahren wollen. Diese wären dann in unter fünf Minuten am Münster HBF! Dies wäre möglich, wenn man an dem Bahnhof Park-and-Ride-Stationen einrichten würde, also ein großer kostenloser Parkplatz, von denen aus man mit dem Zug/Bus in die Stadt fahren kann.
Vorteil für die Nutzer wäre, dass sie sich um die letzte Strecke in die Stadt Münster nicht mehr kümmern müssen und dort keinen Parkplatz mehr suchen müssen. Dieses ist vor allem für die Leute attraktiv, die in der Innenstadt arbeiten. Genau dieses Modell wird bereits in anderen Großstädten (allen voran Amsterdam) erfolgreich angeboten.
Ein weiterer Schritt wäre die Aufrüstung der eingesetzten Züge mit moderner Technik, um die Umwelt noch weiter zu schützen. Eine Elektrifizierung der ganzen Zugstrecke zwischen Münster und Bielefeld würde sehr viel Geld kosten und scheidet daher aus. Aber es gibt eine Möglichkeit: Wasserstoffzüge statt Dieselloks. Diese sind auch auf der demnächst aktivierten Strecke zwischen Neubeckum und Münster im Gespräch. Dementsprechend ist dies kein ganz abwegiger Gedanke.
Zusammenfassend kann man entweder mit der Bus-Sprinter Linie oder mit den zusätzlichen Taktraten des Zuges ein attraktives Gegenangebot zum Auto schaffen. Möglicherweise ist auch eine Mischung aus beiden Verkehrsmitteln sinnvoll, um im Endeffekt im Viertelstunden-Takt eine Fahrmöglichkeit nach Münster zu ermöglichen, was heutzutage durchaus zeitgemäß und notwendig ist. Und jedes Auto weniger auf der Straße sorgt für weniger Stau und für einen nicht mehr notwendigen vierspurigen Ausbau der Strecke.
3. Zusätzliche Förderung
Fraglich ist auch, wie man dann vielleicht noch zusätzlich die Fahrgäste von den öffentlichen Verkehrsmitteln überzeugen könnte. Dies könnte man damit erreichen, dass man die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos zur Verfügung stellt.
Dazu gibt es bereits in verschiedenen Städten in Deutschland und Europa Modelle, wo die öffentlichen Verkehrsmittel ebenfalls kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Ich fordere an dieser Stelle nicht, den gesamte Zugverkehr in Deutschland freizustellen, sondern im Nahbereich, also dort wo man täglich tausende Autos antrifft, die alle in die im Wesentlichen gleiche Richtung fahren. Es geht nicht darum, das Auto komplett abzuschaffen, aber für die Vielzahl der Leute, die doch in dieselbe Richtung fahren, Möglichkeiten zu schaffen, Verkehrsmittel zu teilen.
Alternativ zum kostenfreien Zugang wäre auch ein günstigerer Fahrpreis denkbar. Entweder indem man Telgte in das Tarifgebiet der Innenstadt Münster eingliedert (bereits eine Idee von den Grünen) oder indem man für die verschiedenen Preisstufen zumindest die Preise für das Monats- bzw. Jobticket senkt. Damit würde man die täglich pendelnden Menschen aus den Autos holen und es würde nicht die komplette Einnahmequelle der Verkehrsbetriebe wegbrechen.
Im Ergebnis liegen viele Möglichkeiten auf der Hand, die Anzahl der Autos auf dieser Strecke reduzieren zu können. Erstens würde damit der Ausbau der Strecke nicht mehr notwendig werden. Und zweitens würde dies auch ein sehr starkes und zukunftsgerichtetes Signal in die Region aussenden, endlich die Verkehrswende einzuleiten!
Ich hoffe, mit meinen Anregungen bei Ihnen auf Anklang zu stoßen und für neue Lösungsansätze gesorgt zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Lionel Bombardelli“