Dr. Werner Allemeyer: Wissings Wunderwaffe Fahrverbote

Leserbrief von Dr. Werner Allemeyer an die Westfälischen Nachrichten: 


Wissings Wunderwaffe: Fahrverbote

Die Regierung Merkel hatte ihre Klimaziele „sektoralisiert“, d. h. 5 Sektoren (Energiewirtschaft, Gebäude, Verkehr, Industrie, Landwirtschaft) wurden bestimmte Minderungsziele für ihren CO2-Ausstoß vorgegeben und die jeweiligen Ministerien mit diesen Zielvorgaben auf den Weg geschickt.

Keine Ministerin, kein Minister der Regierung Merkel, hat sich gegen diese Sektoralisierung gesperrt, aber keine/keiner hat seine Zielvereinbarung ernst genommen, am allerwenigsten Dobrindt und Scheuer. Als sie ihre Ämter verließen, emittierten PKW und LKW genauso 150 Mio t CO2 wie im Jahr des Pariser Abkommens (2016). Dieser „Tradition“ möchte Wissing wohl folgen, wenn er Wochenendfahrverbote androht für den Fall, dass er nicht aus seinen Verpflichtungen entlassen wird.  

Explizit wurde von der Regierung Merkel das Gesamtziel für 2030 (438 Mio t CO2) immer aufrecht erhalten. Das Gleiche gilt für die Regierung Scholz. Lässt man sich das durch den Kopf gehen, wird sofort klar, dass bei Verweigerung eines Ressorts, andere dafür büßen müssen, bei Wissings Verweigerung z. B. die Landwirtschaft, die Gebäudeheizung, die Industrie. Wissing behauptet, das sei nicht problematisch, weil unsere Gesamtemissionen auf dem Zielpfad sind. 

Da ist erst mal zu fragen, welchen Zielpfad er da im Auge hat: Wir haben von 2005 bis 2016 (Paris) unsere CO2-Emissionen um jährlich 1,9 % gemindert, von 2016 bis 2022 um jährlich 2,9 %. Um unser Ziel für 2030 zu erreichen, müssen wir vom Jahr 2022 bis 2030 eine jährliche Minderung von 7,0 % schaffen. Dass wir vielleicht zuletzt auf dem Jahres-Zielpfad waren, hängt mit der Stagnation unserer Wirtschaft zusammen. Möchte Wissing mit diesem dümpelnden Boot weiterfahren?

Wissing behauptet, die Ampelregierung habe ihn per Kabinettsbeschluss schon im Jahre 2023 aus der sektoralen Verantwortung entlassen und eine entsprechende Änderung des Klimagesetzes zugesagt. In diesem Beschluss vom 21.06.2023 gibt es einen Satz der martialisch klingt, aber natürlich einen Minister nicht besorgt macht: „Trotz dieser Gesamtbetrachtung sorgt die Bundesregierung weiter für volle Transparenz bei den einzelnen Sektoren, wie z. B. Verkehr, Energie und Wohnen. Es wird weiterhin deutlich gemacht, wo die Emissionen entstehen, und welcher Sektor „on track“ ist. Alle für die Sektoren verantwortlichen Bundesministerien haben ihren angemessenen Beitrag zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele zu leisten.“

Ich kann mir vorstellen, dass die grüne Fraktion davon ausgeht, dass der Verkehrsminister diese Festlegung ignorieren wird und deshalb zögert, der vorliegenden Gesetzesänderung ohne verbindliche Garantien des Verkehrsministers zuzustimmen.

Aber, warum überhaupt diese Wissing-Aktion? Ab dem Jahre 2027 wird per EU-Richtlinie für die Sektoren Verkehr und Gebäude ein eigenes jeweils national exekutiertes Zertifikate-System mit Minderungsvorgaben von etwa 5,5 % gelten (EU-ETS 2). Dann ist dem deutschen Verkehrsminister die Emissionshoheit oder Emissionsfreiheit entzogen. Dann wird der Verkehr sowieso „on track“ gebracht. Ein verantwortungsvoller Verkehrsminister sollte schon mal anfangen, seine motorisierten Wählerinnen und Wähler darauf vorzubereiten.

Dr. Werner Allemeyer, Galgheide 9, Telgte