Beugen wir uns dem Gigantismus oder bewahren wir die Identität von Telgte?

Artikel in Dat Pöggsken, Mai 2018

Stellen Sie sich vor, Sie sind in Urlaub und werden gefragt, wo Sie wohnen. Sie würden wahrscheinlich so antworten: „Telgte ist eine Stadt im Grünen in der Münsterländer Parklandschaft. Sie hat etwas vom mittelalterlichen Flair und ist geprägt durch „Gängsken“ und „Pättkes“ sowie entsprechende Bauwerke in der wunderschönen Altstadt. Bei schönem Wetter können Sie auf dem Marktplatz in einem der vielen Cafe`s sitzen bzw. Spaziergänge durch die Stadt oder an der Ems entlang machen“. Was aber werden Sie Ihren Bekannten in vier Jahren erzählen müssen? „Früher war Telgte eine kleine, ruhige und beschauliche Stadt in der Münsterländer Parklandschaft, umgeben von viel Grün, geprägt von landwirtschaftlichen Flächen und Naturschutzgebieten. Jetzt aber führt eine Schnellstraße durch Telgte. Permanenter vorbeirauschender Straßenverkehr, verstopfte Straßen und die halbstündliche Taktung des Bahnverkehrs prägen den Alltag. Von der einstigen Stadt im Grünen ist nicht mehr viel zu erkennen, denn riesige Überquerungen über die Schnellstraße sowie eine autobahnähnliche Straße fordern ihren Tribut. Das Wohn- und Lebensgefühl ist nicht mehr dasselbe. Ständige Staus in der Innenstadt, Stau auf der B51 rund um Telgte, wenn es von 4-spurig auf 2-spurig geht sowie permanenter Verkehrslärm an der B51 haben die einst so idyllische Stadt verändert. Der Ausweichverkehr bei einem Unfall auf der B51 legt den Stadtverkehr komplett lahm. Man überlegt sich, ob man überhaupt noch nach Telgte zum Einkaufen fährt“.

Ein Szenario, dass in naher Zukunft Wirklichkeit werden wird, wenn wir jetzt nichts unternehmen. Die Landespolitiker sowie einige Bundestagsabgeordnete (auch aus unserem Kreis) sind entschlossen den Ausbau zu verwirklichen. Aber zu welchem Zweck und zu welchem Preis? Stellen wir uns den Tatsachen: Es geht nicht darum, dass wir Bürger eine schnellere Anbindung zu den Städten bekommen. Nein! Es geht schlicht und ergreifend darum, dem Schwerlastverkehr eine zusätzliche Ost-West-Tangente zu schaffen!

Mit dem 4-spurigen Ausbau der B51 werden zwangsläufig gigantische Kreuzungs-Bauwerke und neue Nebenstraßen mit einem 4-streifigen Ausbau auf Telgter Gebiet einhergehen. Landwirtschaftliche Flächen und Grünflächen werden dafür geopfert.

4900 Bürger werden abgeschnitten und müssen neu an die Stadt angebunden werden. Die einst so gerühmte Stadt im Grünen wird zu einer Stadt mit riesigen Betonbauwerken mutieren.

Führt man sich das vor Augen, sollte die Telgter Politik sich davon berührt fühlen. Aber nicht nur die Politik sollte das berühren, sondern auch Sie als Telgter Bürger! Es geht schließlich um Ihr Lebens- und Wohngefühl.

Wenn überhaupt der 4-streifige Ausbau einen rein verkehrlichen Sinn haben soll, dann mit der Fortsetzung dieser „Autobahn“ bis zum Abzweig der B 64 . Dann hätten die Planer nach dem Scheitern der A43 etwa im Jahre 1975 durch den Einspruch von Münster und Hiltrup doch noch ihr Ziel erreicht. Der Bundestagsabgeordnete Reinhold Sendker, also einer von uns, untermauert diese Annahme auch noch auf der Veranstaltung mit dem Landesverkehrsminister Hendrick Wüst. Er wird sich für einen weiteren Anschlussausbau einsetzen. D.h., es wird tatsächlich nicht bei dem bislang geplanten 4-spurigen Ausbau der B51 bis zur Hans-Geiger-Str. bleiben. Unser Bundestagsabgeordneter Reinhold Sendker will, dass der 4-spurige Ausbau danach weitergeht. Und Straßen-NRW verkündete im Juni 2017 bereits den 4-spurigen Ausbau von Münster nach Rheda. Damit ist nicht mehr die Rede davon, dass ein Engpass für uns Telgter und Handorfer beseitigt werden soll. Ganz abgesehen davon, dass die Gutachter des Bundesverkehrsministeriums selbst zugeben, dass sich an unserer Verkehrssituation nichts ändern wird. Das heißt: Wir werden trotz des 4-spurigen Ausbaus weiter im Stau stehen!

Auch hierzu sei die Phantasie bemüht: Der LKW-Verkehr würde förmlich angezogen, denn nach dem 4-spurigen Ausbau der B51 wird sich die Anzahl der LKW`s laut Bundesverkehrsministerium in Richtung Telgte mindestens verdrei- bzw. vervierfachen. Wir sprechen dann von 3.000 – 4.000 LKW`s pro Tag. Zudem wird sich die Anzahl der PKW´s auf bis zu 25.000 Fahrzeuge täglich erhöhen. Zugegeben, wir werden nicht mehr an der Handorfer Ampel im Stau stehen. Dafür ist aber der Stau ab der Hans-Geiger-Str. vorprogrammiert, da der Verkehr mit 27.000 bzw. 29.000 Fahrzeugen täglich auf der 2-spurigen B51 nicht mehr abfließen kann. Wir bräuchten in diesem Fall ein Kreuzungsbauwerk bei Osthues-Brandhove, wohl auch im Osten. Telgte wäre dann dreigeteilt durch eine A 43 und die Bahnlinie mit Halbstundentakt.

Bundestagsabgeordneter Reinhold Sendker weist darauf hin, dass es falsch sei, von einer Autobahn zu sprechen. Die Fahrbahnbreite auf dem jetzigen Teilstück der B51 in Münster gäbe das nicht her, da diese nicht so breit angelegt sei. Fakt ist aber, dass die Fahrbahnbreite des jetzigen Ausbaus der B51 in Münster mit 26 Metern und vier Fahrspuren, der alten Richtlinie für die Anlage von Autobahnen (RAA) entspricht. In Vorbereitung auf den 4-spurigen Ausbau der B51 Münster/Handorf wird die Wersebrücke gleich auf 35 Meter Breite geplant (Straßen.NRW, 2017). Aus welchem Grund sollte die Weiterführung nach Telgte schmaler ausfallen? Rein planerisch macht das überhaupt keinen Sinn.

Die Tatsachen sprechen für sich. Und wer glaubt, dass es noch Jahre bzw. Jahrzehnte dauert bis der Ausbau kommt, dem sei vor Augen geführt: Straßen.NRW befindet sich derzeit in der Planung Diese wird der Bezirksregierung Münster im Januar 2018 zur Abstimmung vorgelegt und im März 2018 wird die erste vorgezogene Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden (Epmann, Straßen.NRW, 2017).

Der Landesverkehrsminister Hendrik Wüst und der Bundestagsabgeordnete Herr Reinhold Sendker haben zwar verlauten lassen: „Es geht nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie“(WN, 2017). Gleichzeitig will Landesverkehrsminister Hendrik Wüst nicht, dass Dörfer und Städte zerteilt werden und uns nicht einfach Pläne vorgesetzt werden. Somit gibt es immer noch Möglichkeiten zu handeln.

Die Telgter Politik und die Telgter Bürger sollten sich dieser Dimensionen und Auswirkungen bewusst sein und die Augen nicht mehr vor dem geplanten Gigantismus verschließen. Dieser Ausbau wird die größte Baumaßnahme, die Telgte bislang erlebt. Und diese wird eine einschneidende Wirkung haben.

Wir wollen nicht, dass aus unserer Stadt im Grünen zu einer betongeprägten Stadt mutiert. Folgen Sie dem Aufruf unseres Bürgermeisters: „Politik, Bürgerschaft und Verwaltung müssen sich über die Ziele der Stadtentwicklung verständigen und die Weichen klug stellen, damit mit den genannten Wachstumsprozessen Identität und Eigenständigkeit unserer Stadt nicht verloren gehen“ (WN,2017). Es ist an uns als Bürgern und es ist auch an den Politikern, Stellung zu beziehen!